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Er ist der Lieblingsholländer im klassischen Tourenwagen-Rennsport, und das bereits seit vielen Jahren: Gerbert Luttikhuis aus Losser in den Niederlanden, geboren am 8. Oktober 1971. Mit dem vorzeitigen Titelgewinn der Tourenwagen Legenden sicherte sich der Liebhaber historischer Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz im Jahr 2020 seinen bislang wichtigsten Erfolg als Rennfahrer. Einziger Wermutstropfen: Ausgerechnet auf sein Heimspiel in der Küstenstadt Zandvoort musste der Taxi-Unternehmer Corona-bedingt verzichten. Das geplante Saisonfinale musste abgesagt und nach vier Veranstaltungen ein vorgezogenes Schlussklassement gebildet worden. In der kommenden Saison erhält der Niederländer die nächste Chance auf einen Start in den Dünen. Denn der Kurs an der Nordseeküste steht neben vier anderen internationalen Rennstrecken auf dem Kalender der „Family and friends – European Tour 2024“. Ein Portrait mit ausgewählten Bildern von Farid Wagner, pitwall media. Weiterlesen? Gerne, gleich hier unten!

Sonntag, 21. Mai 2017: Beim Aarhus Classic Race, einem Stadtrennen auf einem 2,6 Kilometer langen Rundkurs in den Straßen der dänischen Hafenstadt, laufen 16 klangvolle Rennmotoren warm – Startaufstellung zum 40-minütigen Schaulaufen verschiedener Tourenwagen-Klassiker. Aus dem Cockpit eines Mercedes 190 E 2.5-16 Evo 1 im historischen Ornat der Duisburger Biermarke „König Pilsener“ grüßt ein freundlicher Rennfahrer unter schneeweißem Vollvisier-Helm: Gerbert Luttikhuis. Der Niederländer tritt im Tandem mit seinem Bruder Arjan Luttikhuis an. Der eine zitiert Klaus Ludwig und dessen einstige Startnummer 1, der andere Ludwigs damaligen Rennstall-Kollegen Kurt Thiim mit der Startnummer 2. Beide sind Renntourenwagen-Enthusiasten reinsten Wassers, sie haben ihre Einsatzfahrzeuge zuhause in den Niederlanden erworben und mit der Zeit für sich neu aufgebaut. Dass einer der beiden Daimler im Laufe des Zeittrainings in Aarhus hart in die Streckenbegrenzung einschlägt und dabei kaltverformt wird, kann die gute Laune nicht schmälern. Im Gegenteil: Zum Renntransporter des Brüderpaars aus der Nähe von Enschede im Westen des Münsterlandes gehört auch ein geräumiges wie gemütliches Vorzelt, in dem es stets fröhlich zugeht. Tagsüber wird hart geschraubt, bei einbrechender Dunkelheit wird ebenso hart gefeiert – und am nächsten Morgen zur Not eben mit Sonnenbrillen weitergemacht. „Lieblingsholländer“ tauft man die beiden, und das nicht nur wegen ihrer mitgebrachten, grünen Gerstensaft-Dosen mit der Aufschrift „Grolsch“ – eine Reminiszenz an die Bierseligkeit so mancher Klassenfahrt zu Abi-Zeiten …

Als am 2. Juli 2017 ein denkbar spät berufener Streckensprecher der Tourenwagen-Klassiker auf dem Norisring seinen vorher mit niemandem abgesprochenen Einsatz bei der Siegerehrung verpasst, retten Gerbert und Arjan Luttikhuis die verfahrene Situation. Am Vorabend um 17.10 Uhr auf Zuruf erst eingesprungen, zieht er bald nach dem Fallen der Zielflagge das Headset vom hochroten Kopf – eigentlich muss aber noch zur Siegerehrung samt Hymne aufgerufen werden. Minutenlang prosten die beiden fröhlichen Niederländer mit ihren Wasserflaschen den wartenden Kameraleuten zu, und die Bilder gehen live. Dann endlich fliegt die Tür zur provisorisch eingerichteten Sprecherkabine auf, und jemand brüllt im breitesten Oberfränkisch etwas von „Nationalhymne aufrufen!“ ins Halbdunkel. Nachdem der Fauxpas, der ohne vorheriges Briefing nahezu unvermeidlich gewesen ist, halbwegs ausgebügelt ist, schwenken die Bildschaffenden auf den eigentlichen Tagessieger um: Thorsten Stadler holt vor großer DTM-Kulisse seinen ersten Gesamtsieg. Die beiden „Luftikusse“, ein weiterer Kosename der Gebrüder Luttikhuis, erhalten trotzdem ihre Pokale – für ihr Abschneiden in der Klasse für seriennahe Tourenwagen. Gerbert Luttikhuis ermutigt dies, im darauffolgenden Jahr nach den Sternen zu greifen: Er übernimmt vom Norisring-Sieger Thorsten Stadler einen neu aufgebauten Mercedes-Benz 190 E 2-5-16 im Kärcher-Design des MS-Jet-Racing Teams 1992 in der DTM. Kurt Thiim präsentiert das 370 PS leistende Statement Car am 21. Mai 2017 in seiner dänischen Heimat, er muss jedoch vorzeitig die Segel streichen. Als „Kärcbert“ – der nächste Rufname – Luttikhuis an Pfingsten 2018 auf dem Lausitzring schließlich seinen Einstand mit dem Neuerwerb gibt, ist Kurt Thiim als Referenzfahrer und Ratgeber wie selbstverständlich zur Stelle. Und als DTM-Titelträger des Jahres 1986 verhilft „Dansky“ dem Aufsteiger in die Klasse 2 für modifizierte Renntourenwagen auch zu verstärkter Aufmerksamkeit.

Als sich am 18. Januar 2019 die Rennsport-Serie „Tourenwagen Legenden“ findet, ist Gerbert Luttikhuis sofort zur Stelle. Auch bei den weniger stark besetzten Veranstaltungen fährt er mit und entwickelt sich mehr und mehr zu einem Rückgrat des neu geschaffenen Formats. Das gilt auch für das Vorzelt seines Renntransporters, in dem es nun nicht mehr ganz so bunt zugeht wie vorher. Sein Bruder Arjan Luttikhuis hat sich aus dem Geschehen zwischenzeitlich zurückgezogen, während Gerbert sich mehr und mehr auf den sportlichen Erfolg fokussiert. Der in vielerlei Hinsicht anspruchsvollere Mercedes-Benz 190 E 2-5-16 fordert diesen Tribut. 2020 hat der baumlange Taxi-Unternehmer seine Lernphase endgültig hinter sich gebracht. Doch er muss, wie allen anderen auch, geduldig auf den verspäteten Saisonstart auf dem Hockenheimring warten. Es folgen Einsätze in tschechischen Most, bei der DTM auf dem Nürburgring und schließlich noch als absolutes Highlight ein Gastspiel im Rahmen der Formel 1 auf dem Eifelkurs unterhalb der alten Raubritterburg. Eigentlich soll der Meister im November 2020 in Zandvoort gekürt werden, doch die Veranstaltung muss aufgrund der Corona-Situation abgesagt werden. Und weil Gerbert Luttikhuis bis zu diesem Zeitpunkt eben die meisten Punkte gesammelt hat, wird er zum zweiten Champion der Tourenwagen Legenden nach Stefan Rupp erklärt – ein schöner, ein mehr als verdienter Erfolg. Verändern wird sich dadurch nicht allzu viel, außer der Startnummer vielleicht: Dem Erstplatzierten steht am Jahresende traditionell die Eins zu. Ansonsten wird Gerbert Luttikhuis auch als Titelverteidiger stets derselbe bleiben: wortgewandt, witzig, interessiert, aufgeschlossen – ein guter Typ eben, mit Menschenkenntnis und bemerkenswerter Beobachtungsgabe. Mögliches Motto: Er ist wieder da, der Lieblingsholländer – mit seinem besten Kumpel Eddy, dem geräumigen Vorzelt und jeder Menge guter Laune. Und bei nächster Gelegenheit unterhalten wir uns dann einmal eingehend über die wahre Bedeutung der Vokabel „Wisseltrophee“ – so wie damals in den Achtzigern, auf Klassenfahrt in Dein Heimatland, mit einer grünen Dose „Grolsch“ in der Hand …

Verantwortlich für den Inhalt: netzwerkeins GmbH, Carsten Krome

Fotografie (10): Farid Wagner, pitwall media

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