Kurt Thiim, Kris Nissen, Jan Magnussen, Peter Elgaard: allesamt Dänen, die in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) einmal eine Rolle gespielt haben. Das ist auch einem weiteren Landsmann bewusst. Denn Kasper Aaskov wandelt bei den Tourenwagen Legenden in den Spuren seiner Vorgänger. Für die kommende Saison lässt er bei tst sport + technik einen Mercedes 190E 2.5-16 im Ornat der Privatbrauerei Diebels vorbereiten. Im Grün und Gold des 1992 mit dem Werkseinsatz beauftragten Zakspeed-Rennstalls gingen vor 32 Jahren Roland Asch und der Ex-Meister Thiim an den Start – eine bemerkenswerte Parallele. Porträt eines vielschichtig begabten Endvierzigers, der auf Umwegen in den klassischen Tourenwagensport nahm.
29. November 2019, Essen Motor Show: Kasper Aaskov ist der ganz große Coup gelungen – was ihm zunächst nicht bewusst ist. Sein neues Renngerät hat er einfach nur am Ausstellungsstand der Tourenwagen Legenden platzieren wollen und damit eine Welle der Begeisterung ausgelöst. Er hat den zahlreichen Opel-Fans nämlich den Calibra V6 4×4 der Klasse 1 zurückgebracht. Wie schmerzlich das seltene Allrad-Modell vermisst worden ist, zeigen Publikumsreaktionen in aller Welt, sogar im fernen China. Aaskov, Mitte vierzig zu diesem Zeitpunkt, schlaksig, zurückhaltend, ehemals vielversprechender Fußballer, ist die plötzliche Popularität zunächst nicht ganz geheuer. Staunend stellt er fest, dass jedes Foto, jedes auch nur mit dem Handy aufgenommene Video, zigtausendfach aufgerufen wird: nicht schlecht für den Gebrauchtwagen eines Freundes aus Norwegen, der neben dem originalen ITC-Einsatzfahrzeug von „Xandl“, sprich: Alexander Wurz, auch ein großes Ersatzteilpaket schnürt.
Das soll den Betrieb in den kommenden zwei Jahren sicherstellen. Und das zieht der Autohändler aus Varde unweit der dänischen Küste konsequent durch. Mit einem kleinen Team und minimaler Infrastruktur lebt er das vor, was später als #familyandfriends – european tour auf Reisen gehen wird. Auf allen Rennstrecken im Kalender der Tourenwagen Legenden setzt er sich mit dem technisch hochkomplexen Ex-Werkswagen anno 1995 in Szene, gipfelnd mit einer Podiumsplatzierung im Rahmenprogramm der heutigen DTM auf Nürnbergs Norisring. Dieser Gipfelpunkt markiert gleichzeitig auch das Ende der zweijährigen Kampagne. Der Bolide wird an einen Sammler verkauft, der ihn anschließend in den Ursprungszustand versetzen und weiterhin auf hohem Niveau betreiben lässt.
Ist die Geschichte damit erzählt – einmal den großen Traum gelebt und dann wieder abgetreten? Mitnichten, denn schon im ersten der beiden Calibra-Jahre baut der kluge Mann vor und beauftragt Thorsten Stadler und dessen Unternehmen tst sport + technik mit dem Neuaufbau eines Mercedes 190E 2.5-16 auf dem Stand von 1992. Für Kasper Aaskov ist das nach der Klasse 1 die oberste Liga des klassischen Tourenwagen-Racings. Er lacht: „Thorsten und Patrick ‚Patti’ Schellberg, sein technischer Leiter, haben mir ein zweites sportliches Leben beschert.“ Wie das? Der Nordeuropäer erinnert sich an das Saisonfinale des Jahres 2018 auf dem Hockenheimring, als er erstmals auf das Duo aus Hann.Münden traf und schnell zu der Feststellung gelangte, dass die beiden sich mit Stern-Rennern der achtziger und der neunziger Jahre – der Glanzzeit der DTM – bestens auskennen.
Er selbst ist zu diesem Zeitpunkt mit einem anderen Mercedes 190E 2.5-16 im Design des MS Jet Racing Teams von Jochen Mass und Günter Schons am Start: für ihn ein Traumwagen, den er in einer Online-Offerte entdeckt und unbedingt besitzen will. Dafür verkauft er auch seinen Chevrolet Camaro, mit dem er bis dahin in der „DTC“-Meisterschaft seines Heimatlandes unterwegs ist. Doch er mag das Auto nicht wirklich und ist erleichtert, als sich ein neuer Steuer-Mann für den US-Dampfhammer findet und die Mittel frei werden, um den Evo 2 im Tankstellen-Look anno 1990 zu übernehmen. Doch Aaskov, da ist er Kaufmann durch und durch, vollzieht nach der Spielzeit 2019 und nur zwei Auftritten bei den damals neu gegründeten Tourenwagen Legenden den Umstieg in den Opel.
Dennoch bleibt der Mercedes 190E 2.5-16 nach dem erfolgreichen Verkauf des ersten Exemplars und dem Abstecher ins Opel-Lager der Favorit des Dänen. Als er 2020 einen vollständigen Neuaufbau bei tst sport + technik in Auftrag gibt, stellt er sich auf die für Projekte dieser Größenordnung übliche Wartezeit ein – und setzt vorsichtshalber auf einen Zweitwagen, einen BMW M3. Das Zitat des 1992 in der DTM eingesetzten Exemplars von Franz Engstler debütiert 2022 im grün-weißen Look des damaligen Sponsors „TicTac“. Kasper Aaskov, der als dänischer historischer Meister des Jahres 2015 in der Szene etabliert ist, lädt einen prominenten Mitfahrer ein, sich die Lenkrad-Arbeit mit ihm zu teilen: Harald Grohs, am 11. März 1984 der allererste Sieger eines Rennens zum Vorläufer der DTM, der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft.
Damals sitzt der „Nippel“ aus Essen am Volant eines BMW 635 CSi Gruppe A. Drei Jahre später ist auch er der Erste, der mit dem neu eingeführten BMW M3 ein bedeutendes Rennen gewinnen kann. Schauplatz: Hockenheimring, kleiner Kurs. Beim Saisonauftakt 1987, inzwischen ist die erste Deutsche Tourenwagen-Bundesliga zur DTM umgewidmet worden, schlägt er allen ein Schnippchen und fährt mit dem halbprivaten Vogelsang-BMW M3 den Werkswagen davon.
35 Jahre später bilden Kasper Aaskov und Harald Grohs an gleicher Stelle erstmals ein Team, sie harmonieren auf Anhieb. 2023 treten sie erneut gemeinsam an, auch beim Copenhagen Historic Grand Prix in der Hauptstadt Dänemarks – das Heimspiel für die Nordeuropäer im Feld der Tourenwagen Legenden. Auch in diesem Jahr ist der Stadtkurs wieder ein tragender Bestandteil von #familyandfriends – european tour 2024. Mit welchem Fabrikat wird Kasper Aaskov diesmal antreten – oder besser vielleicht: mit welchen Fabrikaten? Denn der neue Mercedes 190E 2.5-16 wird bis zu diesem Termin zwar fertiggestellt sein, der BMW muss deshalb aber nicht zwingend weichen.
Es existiert der vage Plan, in Kopenhagen neben Harald Grohs noch einen weiteren prominenten Landsmann zum Zuge kommen zum lassen – einen Dänen mit aktiver DTM-Vergangenheit. Nicht schlecht für das Paradebeispiel eines Selfmade-Unternehmers und Rennfahrers in Personalunion. Der 1998 als Rallye-Beifahrer im Cockpit eines Opel Manta begann. Der sich bis 2005 zum dänischen Rallyecross-Champion auf Ford Puma 4WD hochdiente und nach fünf Jahren Pause mit einem „Hundeknochen-Escort“ in den historischen Sport einstieg. Der 2017 in den Straßen von Aarhus, bei einem anderen dänischen Stadtrennen, seine Liebe zu den Rennen fahrenden DTM-Klassikern entdeckte und bis heute lebt.
Der nach einer Lehrzeit als Zimmermann 2010 den Schritt in die Selbstständigkeit ging und gemeinsam mit seiner Frau einen kleinen, aber höchst agilen Autohandel aufbaute. Und der vor allem eins ist: ein offener, freundlicher Charakter, ein typischer Nordländer – eben ein vielschichtiger Typ, dieser Kasper Aaskov.
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