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Im Neuaufbau bei tst sport und technik: Mercedes-Benz 190 E (W 201) 2.5-16, Fahrgestellnummer 201-93-57 (AMG Motorenbau GmbH 1993).

Als Klaus Ludwig Ende 1998 zum ersten Mal seinen Rücktritt vom professionellen Rennsport erklärt, erscheint das ihm gewidmete Buch „Jagdszenen“. Zurzeit ist es in aller Munde, nachdem eines der letzten Exemplare zu einem bemerkenswerten Preis ersteigert und in eine Sammlung überführt worden ist. Auf Seite 58 beschreibt der dreimalige Titelgewinner in der DTM, der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft, sein besonderes Verhältnis zur „Grünen Hölle“, der Nürburgring-Nordschleife. Von 1988 bis 1993 einschließlich diente der Eifelkurs noch einmal als Schauplatz der auch international beachteten Tourenwagen-Bundesliga, 1994 erfolgte aus Sicherheitsgründen der Rückzug – einmal mehr waren sie viel zu schnell geworden, die allzu freizügig entwickelten Werkswagen. „Bei all meinen Nordschleifen-Starts habe ich mich nur einmal tierisch geärgert“, erinnert sich Klaus Ludwig, respektive Rainer Braun als dessen Kolumnist. Er fährt fort: „Das war 1993, als ich gegen Nicola Larini im Alfa Romeo 155 GTA verloren habe. Überall durfte ich dann lesen: ‚Ringkönig Ludwig entthront‘. Das war nicht fair und hat mich wahnsinnig geärgert. Ich hatte 100 PS weniger und kein Allrad-Auto. Schadenfreude und Häme sind nur so über mich hereingebrochen. Ich konnte zwar mit der Niederlage leben, weil ich wusste, warum ich verloren hatte. Aber das oberflächliche Handling in der Presse hat mir wehgetan.“

Auf der anspruchsvollen, 20,832 Kilometer langen Nordschleife feierte Ludwig während seiner sechsjährigen Dienstzeit als Mercedes-Werksfahrer Triumphe. Dort lieferte er sich am 18. Juni 1992 ein dramatisches Duell mit dem BMW-Piloten Johnny Cecotto. Der Schlagabtausch der beiden Speerspitzen der deutschen Hersteller ging in die Geschichte ein, Klaus Ludwig gewann beide Rennen und später auch die Meisterschaft in seinem vierten Einsatzjahr mit dem Mercedes-Benz 190E. Der war anfangs, noch in seinem ersten Entwicklungsstadium, mit seinen 2,3 Litern Hubraum eine relativ zivile Gruppe-A-Version. 1993, im insgesamt achten und vorletzten Einsatzjahr dieser Baureihe, erlebte der Vierzylinder-Vierventiler dank der Einführung der neuen Klasse 1 bei fast gleichzeitigem Marktstart der C-Klasse von Mercedes-Benz eine letzte Evolution, eine Ausbaustufe. Haustuner AMG baute sechs Fahrgestelle nach dem neuen Regelwerk um, beziehungsweise komplett neu auf. Flach geduckt, lediglich 1.300 Millimeter hoch, kam das Übergangsmodell mit abgesenktem Schwerpunkt und aufgesetzten Kotflügel-Verbreiterungen inzwischen daher. Im Titelkampf mit Neueinsteiger Alfa Romeo, angeführt vom italienischen Star Nicola Larini, hatten sie aber das Nachsehen: 261 zu 204 Meisterschaftspunkte lautete der Endstand. Als Titelverteidiger kam Klaus Ludwig 1993 auf den vierten Rang. Nur einen Sieg – ausgerechnet mit dem Vorjahresmodell, dem Mercedes-Benz 190E 2.5-16 Evo II – konnte er, der Erfolgsverwöhnte, verbuchen. Nur beim Eifelrennen Nürburgring am 2. Mai 1993 ließ er sich die Führungsrolle nicht nehmen und triumphierte.

Kurze Zeit später, im Mai 1993, sollte ein gänzlich neu aufgebauter Werkswagen nach dem Regelwerk der Klasse 1 den Durchbruch in einem ansonsten schwierigen Sportjahr bringen. Bei Winfried Matter in Graben-Neudorf entstand im AMG-Auftrag für Champion Ludwig eine neue Rohkarosserie mit der Seriennummer 57 RK3, das Produktionsdatum ist im Typenschild mit den Schlagzahlen 5.93 dokumentiert. Mit diesem Neufahrzeug debütierte Klaus Ludwig am 16. Mai 1993 beim Flugplatzrennen Wunstorf. Beim vierten DTM-Wochenende erzielte er im zweiten Durchgang als Dritter auf Anhieb einen Podiumsrang. Das gelang ihm am 10. Juni 1993 zwar auch auf der Nürburgring-Nordschleife mit den (Podiums-)Plätzen zwei und drei, dennoch war der spätere Titelgewinner Nicola Larini ausgerechnet in Ludwigs Jagdrevier nicht zu halten – eine fast historische Niederlage. Im weiteren Verlauf der Saison 1993 kam in Diepholz und auf der Avus noch zweimal Position zwei dazu. Siege fuhren mit demselben Fahrzeugtyp die Markenkollegen Roland Asch (3) und Bernd Schneider (2) ein: alles in allem eine erfolgreiche Variante des 1986 in die DTM eingeführten Viertürers, die 1994 eine letzte Gnadenfrist erhielt. Vier Vorjahreswagen, unter anderem von Uwe Alzen und Marc Gindorf pilotiert, flankierten den Einstand der neuen C-Klasse, mit der Klaus Ludwig 1993 seinen dritten und letzten DTM-Meistertitel einfuhr. Als er bereits zurückgetreten war, schrieb er am 6. August 2000 auf dem Sachsenring, inzwischen 50-jährig – als ältester Sieger eines DTM-Laufs noch einmal Geschichte. Seine Liebe zur Marke Mercedes-Benz und zur DTM waren einfach stärker als jeder Rückzugsgedanke.

Klaus Ludwigs ab Mai 1993 genutzter Mercedes-Benz 190E 2.5-16 Klasse 1 befindet sich mehr als drei Jahrzehnte nach seiner Fertigstellung wieder im Neuaufbau. Bei tst sport + technik in Hann.Münden ist die originale Rennsport-Karosserie vollständig aufgearbeitet, neu lackiert und beschriftet worden, der Neuaufbau ist in vollem Gange. Für Thorsten Stadler markiert das Projekt ein besonderes Jubiläum. Seit nunmehr 35 Jahren beschäftigt sich der Markenspezialist für Mercedes-Benz der achtziger und der neunziger Jahre mit dem Fahrzeugtyp der Baureihe W 201, dem „Baby Benz“, mit der immerhin neun Jahre währenden DTM-Karriere. Länger war in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft nur der Ford Mustang aktiv. „Mein Fahrzeugleiter Patrick ‚Patty‘ Schellberg und ich erleben den Neuaufbau des Ex-Werkswagens als ein Jubiläum, als einen Bezugspunkt zu unserer jahrzehntelangen Praxis mit dem 190er“, beschreibt Thorsten Stadler seine Sicht, „zudem haben wir ein zweites Original-Exemplar dieser höchst seltenen und am Sammlermarkt gesuchten Modellreihe in der Bearbeitung – mehr möchten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht verraten.“ Der freundschaftliche Kontakt zu Klaus Ludwig erlaubt den regelmäßigen Austausch zu allen technischen Einzelheiten. „So stellen wir sicher, dass jeder noch so kleine Schalter tatsächlich am richtigen Platz sitzt“, erklärt Stadler. „Und wer weiß – vielleicht können wir Klaus auch einmal von einer Ausfahrt mit seinem ehemaligen Einsatzgerät, zum Beispiel auf unserer Hausstrecke, dem BILSTER BERG, überzeugen.“ Über den weiteren Verlauf des Neuaufbaus halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.

Verantwortlich für Inhalt und Fotografie: netzwerkeins GmbH, Carsten Krome
Bildarchiv (1993): rennsport revue, Carsten Krome

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