Precisely White: 1996er ITC-Mercedes-Benz der C-Klasse nähert sich nach professioneller Aufarbeitung bei tst sport + technik der Komplettierung.
Drei Formel-1-Piloten in ein- und demselben Chassis: Das kommt in der Rennsportwelt nicht allzu häufig vor. Doch für eine 1996 in der International Touring Car Series (ITC) eingesetzte C-Klasse von AMG-Mercedes-Benz gilt: Hier hat in der Tat ein zeitgleich oder wenig später im Grand-Prix-Zirkus tätiges Fahrertrio gewirkt. Und weil das einzigartig ist, hat der heutige Fahrzeugbesitzer Jörg Hatscher eine umfassende Aufarbeitung der weißen Schönheit bei tst sport + technik in Hann.Münden in Auftrag gegeben. Dem technisch hochentwickelten Originalfahrzeug aus der abschließenden Saison der Tourenwagen-Klasse 1 wurde es auf dem Nürburgring zu warm. Hintergrund: zu geringes Tempo während einer Safetycar-Phase. Inzwischen sind die Spuren der Überhitzung beseitigt, die Remontage kann beginnen.
Die Schlagzeilen:
Elf von dreizehn Rennen: Der Däne Jan Magnussen startete zunächst als Stammpilot in die ITC-Spielzeit 1996, konnte die Saison mit dem Mercedes-Benz der C-Klasse aber nicht komplett fahren.
Gastspiel im August 1996 in Silverstone: Der Kolumbianer Juan Pablo Montoya gab mit dem einmaligen Gastspiel in der ITC auch eine Empfehlung für spätere Glanzleistungen in der Formel 1 ab.
Der erste Brasilianer in der DTM-Nachfolgeserie ITC: Auch Ricardo Zonta empfahl sich mit seinem Einsatz auf dem Nürburgring für die Königsklasse des Motorsports, in der er sich fünf Jahre lang hielt.
Rückblende: Hockenheimring, 14. April 1996. Etwas überraschend sichert sich der junge Däne Jan Magnussen mit der weißen C-Klasse von AMG-Mercedes-Benz beim Saisonauftakt der International Touring Car Series (ITC) den Sieg über die Allrad-Konkurrenz von Alfa Romeo und Opel. Titelverteidiger Mercedes verzichtet aus Marketinggründen auf vier angetriebene Räder und setzt statt dessen auf hochentwickelte Technik. So kann ein Gewicht im Heckteil so geschickt vor und wieder zurück bewegt werden, dass es sich in jedem Fahrzustand in Bestlage befindet. Es ist das Zeitalter der Top-Ingenieure, die mit immer ausgeklügelteren Lösungen nach dem alles entscheidenden Vorteil suchen und ein kostspieliges Wettrüsten mittragen. Die erforderlichen Budgets schnellen in ungesunde Höhen, im September 1996 ziehen die Vorstände von Alfa Romeo und Opel gleichentags die Reißleine: das jähe Ende. Zu diesem Zeitpunkt haben in der anfangs von Jan Magnussen gesteuerten C-Klasse mit der Startnummer drei zwei Formel-1-Fahrer ihren Einstand gegeben: der Kolumbianer Juan Pablo Montoya in Silverstone und der Brasilianer Ricardo Zonta auf dem Nürburgring. Auch Jan Magnussen, der zwei Termine auslassen muss, ist bereits seit 1995 in der Königsklasse des Motorsports aktiv.
Drei Formel-1-Piloten in ein- und demselben Chassis: Das ist mehr als selten in der Rennsportwelt. Dennoch ist die Karriere des weißen AMG-Mercedes im Ornat der Warsteiner Brauerei nach dem Ende der International Touring Car Series allem Anschein nach gelaufen. 1997 wird der offiziell 510 PS leistende Hecktriebler außer Dienst gestellt und eingelagert. 20 Jahre hält der Dornröschenschlaf an, dann reaktiviert der Oldenburger Sammler und Rennfahrer Jörg Hatscher den nur bei dreizehn Anlässen genutzten High-Tech-Renntourenwagen. Im Mai 2017 kommt es im dänischen Aarhus zum Comeback, und zur Feier des Tages schaut sogar der einheimische Original- und Siegfahrer aus der ITC-Saison 1996 vorbei. Für den Einsatz und die Inbetriebnahme in Hatschers Auftrag zeichnet Thorsten Stadler aus Hann-Münden mit seinem Team tst sport + technik verantwortlich. Dass er die sensible Hochtechnologie auch fahrerisch im Griff hat, beweist Stadler mit einem Sieg beim Saisonauftakt 2018 im Rahmen der Bosch Hockenheim Historics. Jörg Hatscher überlasst ihm das eigene Cockpit für einen Tag, als sich an dessen eigener C-Klasse ein vor Ort nicht reparabler Defekt einstellt.
Beim Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring im August 2018 sitzt wieder Jörg Hatscher in seinem angestammten Gitterrohrrahmen-Chassis, als ein anderer Teilnehmer eine Safetycar-Phase auslöst. Das Bummelzug-Tempo lässt den Benz jedoch überhitzen. Die unumgängliche Konsequenz: eine umfassende Aufarbeitung, die Thorsten Stadler mit tst sport + technik nun gestartet hat. „Wir haben im Laufe der Jahre ein Netzwerk aufgebaut, zu dem so mancher Techniker und Lieferant aus der damaligen Zeit gehört“, berichtet der Titelträger der historischen Tourenwagen-Spielzeiten 2017 und 2018. „So können wir sicherstellen, die gleiche Ausführung und Qualität zu erreichen wie einst – etwas anderes wollen wir unseren Kunden auch gar nicht anbieten.“ Magnussens Mercedes wird von Grund auf mit revidierten oder nachproduzierten Komponenten neu aufgebaut. „Am Schluss wird da ein Neufahrzeug mit bewegter Geschichte stehen“, fasst Fahrzeugleiter Patrick Schellberg zusammen. „1996 sind noch sieben C-Klassen nach dem Letztstand-Reglement der Klasse 1 bei AMG Motorenbau in Affalterbach aufgelegt worden. Bei solch überschaubaren Stückzahlen drängt sich die professionelle Aufarbeitung zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz einfach auf. In Fall dieses prominenten Exemplars haben wir die Gelegenheit beim Schopfe gepackt.“
Der Zeitpunkt des ersten Roll-Outs nach der Renovierung ist noch unbestimmt. Naheliegend wäre auch die Rückkehr an den BILSTER BERG, wo sich der 300 km/h schnelle Siegerwagen im August 2017 schon einmal nachdrücklich in Szene setzte. Das Motto lautete damals wie heute: Precisely White.
Verantwortlich für den Inhalt: netzwerkeins GmbH, Carsten Krome
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